Fachartikel Teil 1:
Prozesskostenrechnung, prozessorientierte Kalkulation (Prozesskostenkalkulation) und Komplexität
Zwei Projektbeispiele
Heute berichte ich über meine Erfahrungen zu den Themen Komplexität, prozessorientierte Kalkulation (POK) und Prozesskostenrechnung (PKR).
Als Unternehmensberater traf ich bei der Durchführung von Kostensenkungsprojekten in der
Analysephase immer wieder auf eine hohe Komplexität. Mit Komplexität ist
Vielfalt unterschiedlichster Art gemeint.
Zum Beispiel ein heterogenes Produktspektrum, heterogene Fertigungsstückzahlen
oder hohe Anzahl von Kunden und
Vertriebswegen, verkaufsfähigen Produkten und Dienstleistungen, Produkt-Varianten,
Unterbaugruppen und Teilen, SW- und HW-Plattformen, Standorten, Fertigungsmethoden, …
Dies führte in den Projekten zur Anwendung einer prozessorientierten Kalkulation (POK) und der Prozesskostenrechnung (PKR), um z.B. für 50.000 Teile, Baugruppen und Produkte die Herstellkosten und Selbstkosten unter Berücksichtigung der Prozesskosten und –mengen zu ermitteln. Aber auch, um die Häufigkeit der Inanspruchnahme von „teuren“ oder „kostengünstigen“ Prozessen zu erkennen.
A. Ein Unternehmen (mechanische/elektrische Komponenten)
mit:
- ca. 1.000 Mitarbeitern (Produktion, Marketing, Entwicklung, Vertrieb)
- ca. 6.000 aktive Produkte mit ca. 50.000 Teilen und Baugruppen
- ca. 4.600 Kunden
- Ergebnis: +/- Null
Die Ausgangssituation war durch heterogene
Produktionsstückzahlen gekennzeichnet.
Neben hohen Produktionsstückzahlen für Serienprodukte gab es
auch eine hohe Anzahl von Sonderlösungen mit relativ kleinen Stückzahlen sowie eine
hohe Anzahl an Kunden.
Durch war das Management dann in der Lage
- ihre Preisgestaltung zu überarbeiten
- zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten und
- für Sonderlösungen in kleinen Stückzahlen kostengerechte Preise durchzusetzen.
Dies führte dann zu einer Trennung von den Kleinkunden und Reduzierung der
Produkte/Teile um ca. 50%. Insgesamt wurde die Kundenanzahl um ca. 70%
reduziert. Zur Umsetzung war ein zusätzliches Komplexitätscontrolling
erforderlich.
Die Realisierungszeit lag bei ca. 1,5 Jahren. Das Ergebnis lag danach bei > 10%.
Innerhalb der ersten 9 Monate konnte die Anzahl der Kunden
bereits um 50% reduziert werden.
- ca. 500 Mitarbeitern (Fertigung incl. Beschaffung, Entwicklung, Marketing,
Vertrieb)
- ca. 200 aktive Produkte/Systeme.
Produkte mit Stückzahlen > 500.000 /
Jahr mit einem Preis von ca. 30,- €/Stück
Systeme mit Stückzahlen von ca. 5.000 /
Jahr mit Preisen von ca. 5.0 bis 25.0 €
- ca. 250 Kunden
- Ergebnis: negativ
Durch die Einführung der
PKR und POK wurden die Kosten
verursachungsgerecht dargestellt. Dies führte bei der Ermittlung der
Herstellkosten und Selbstkosten
- bei Produkten mit hohen Stückzahlen zu geringeren Herstell-/Selbstkosten
- bei Systemen mit niedrigen Stückzahlen zu höheren
Herstellkosten/Selbstkosten.
Dadurch war das Management in der Lage den Handlungsbedarf
zu erkennen.
Es wurden dann für die Produkt-Entwicklung der Systeme konkrete
Ziele bezüglich Kosten, Teileanzahl, Varianten usw. vorgegeben. Dies führte
dazu, dass z.B. verschiedene Systemfamilien zusammengelegt wurden, wodurch eine
Varianten-, Baugruppen- und Teilereduzierung möglich war. In der Folge davon
wurden Prozesse in deutlich geringerem Maße in Anspruch genommen. Dadurch waren
erhebliche Prozessoptimierungen möglich. Diese Maßnahmen führten bei einigen
Systemen zu Kostensenkungen von bis zu 38%.
Für den Vertrieb wurde die Preisgestaltung angepasst. Bei
den Produkten mit großen Stückzahlen wurden die Preise auf ein
konkurrenzfähiges Niveau leicht gesenkt. Dies führte zu zusätzlichen Aufträgen.
Für Ersatzteile und Sonderlösungen wurden höhere Preise durchgesetzt. Außerdem
wurde ein Komplexitätscontrolling eingeführt, um die Kostenwirkung der
umgesetzten Maßnahmen zu ermitteln und weitere Rationalisierungsansätze zu
identifizieren.
Die Realisierungszeit lag bei ca. 2,0 Jahren. Das Ergebnis lag danach bei ca.
+8%.
Die Ausgangssituation in diesen Projekten war überwiegend durch
heterogene Produktionsstückzahlen und ein heterogenes Produktspektrum
gekennzeichnet.
In beiden Fällen war die angewendete traditionelle Zuschlagskalkulation nicht
in der Lage, die Kosten verursachungsgerecht zuzuordnen. Dies war erst mit der
PKR und POK möglich. Mit den Ergebnissen (Herstellkosten und Selbstkosten) aus
der Anwendung der PKR und POK konnte dem Management der Handlungsbedarf aufgezeigt
werden. Dies führte zu konkreten Rationalisierungsmaßnahmen.